Warum Staat und Wirtschaft scheitern

Ohne Zweifel ist es die Aufgabe des Staates und seiner Institutionen, die Rahmenbedingungen und Spielregeln für eine freie Wirtschaft so vorzugeben, dass sich im freien Spiel der Marktkräfte auch die notwendigen Voraussetzungen für ökologische Nachhaltigkeit und soziale Verträglichkeit ergeben.

Es ist jedoch offensichtlich, dass die Politik mit dieser Aufgabe de facto überfordert ist. Ihre Kräfte werden durch die täglich schwierigere Tagespolitik aufgezehrt und dies insbesondere, weil keine langfristigen Perspektiven existieren und nicht einmal, so erscheint es wenigstens dem Außenstehenden, Anstalten gemacht werden, solche zu entwickeln. In der gegenwärtigen Situation eines globalen gesellschaftlichen Umbruchs wären dringend soziale Innovationen notwendig. Anstatt diese zielstrebig und mutig anzustreben, wird weiterhin nur auf technische Innovationen gesetzt, die letztlich bestenfalls nur Atempausen schaffen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt erkennen zu müssen, dass die alten sozialen Spannungen meist in verschärfter Form wieder in Erscheinung treten.

Es ist klar, dass soziale Innovationen weitaus schwieriger zu initiieren und zu administrieren sind als wissenschaftlich-technische Innovationen, da diese wegen ihrer vergleichsweise geringeren Komplexität bei Vorgabe der richtigen Fragestellungen und Rahmenbedingungen meist von alleine üppig aufsprießen. Die durch die vergangenen Erfolge gut gestützte Gewohnheit, gesellschaftliche Schwierigkeiten durch technische Neuerungen auflösen zu wollen, also im wesentlichen neue Freiräume zu schaffen (Going West!) und nicht auf Schlichtung von Konflikten zu drängen, ist eine der Gründe, warum die Technik immer weniger, wie ursprünglich konzipiert, dem Menschen und der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse dient, und warum stattdessen mehr eine Entwicklung neuer Lebensformen des Menschen gefordert wird, die umgekehrt den Menschen auf diese, von einer kleinen Minderheit entwickelten und mit der Mehrheit gar nicht abgestimmten und unterstützten Technik ausrichten und anpassen soll.

Der Staat, der zweifellos den Verfassungsauftrag hat, die Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Entwicklung im Lande vorzugeben, kann meines Erachtens nicht nur de facto, sondern auch grundsätzlich diese Aufgabe unter den heutigen Bedingungen nicht mehr leisten. Durch die globale Einbindung fehlt ihm dazu vielfach die dazu notwendige Souveränität. Durch die Vielzahl und Komplexität der Sachverhalte und die wachsende Geschwindigkeit der Veränderungen sind die verantwortlichen Politiker auf den fachmännischen Rat der Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft und mächtiger Interessengruppen wesentlich angewiesen, die sich als Souffleusen, im Hintergrund und für die Öffentlichkeit unbemerkt, auf diese Weise unentbehrlich gemacht haben.

Versuche, die Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft direkt auf die Bewältigung der drängenden Probleme einzuschwören, scheitern mit dem Hinweis auf die Richtlinienkompetenz der Politik. So wandert der „schwarze Peter“ von einem zum anderen und keiner fühlt sich für die Untätigkeit wirklich verantwortlich. Es ist jedoch für jeden offensichtlich, der sich aktiv an den vielfältigen und mit großem Engagement betriebenen, öffentlichen gesellschaftspolitischen Diskussionen beteiligt, dass die Gesellschaft über ein Potenzial an profunden Einsichten und erprobtem Sachverstand, an konstruktiven Zukunftsvorstellungen und praktischen Umsetzungsvorschlägen sowie an persönlichem Verantwortungsbewusstsein und ethischer Standfestigkeit in einem Maße verfügt, das weit über das im politischen Raum erkennbare Niveau hinausgeht.

Die Aufgabe müsste deshalb darin bestehen, dass in der Gesellschaft verborgene intellektuelle, geistige und sittliche Potenzial für die Gesellschaft geeignet zu mobilisieren. Letzten Endes heißt dies wohl: Die sich in unzähligen Initiativen formierende Zivilgesellschaft als ernstzunehmende dritte globale Kraft neben Staat und Wirtschaft voll zu etablieren und als konstruktives, lebendiges, kreatives, kritisches Element in die Gestaltung der zukünftigen Weltgesellschaft einzubinden.

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