Energiewechsel

Diese sogenannten Energiedienstleistungen erfordern genau genommen keine Energie. Dies sieht nur so aus. Denn für Energie gilt ein strenger Erhaltungssatz, der Erste Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, dass Energie nirgends erzeugt und nirgends verbraucht wird. Energie kann sich nur von der einen Form in eine andere verwandeln, z. B. von elektrischer Energie in Bewegungsenergie oder in Wärmeenergie. Die verschiedenen Formen der Energie sind jedoch nicht gleichwertig. Es gibt kostbare, „arbeitsfähige“ Energie, wie z. B. elektrische oder mechanische Energie, und nutzlose, „nichtarbeitsfähige“ Energie, wie z. B. gleichverteilte Wärmeenergie.

Bei jeder Umwandlung von Energie findet gewöhnlich eine Qualitätsminderung der Energie statt. Bei Energiedienstleistungen wird höherwertige in minderwertigere Energie, meist Umgebungswärme, verwandelt. Zählt man die unbrauchbare minderwertige Wärmeenergie bei der Bilanz nicht mit, kommt man zur Vorstellung eines „Energieverbrauchs“. In Wirklichkeit findet jedoch nur die Umwandlung nutzbarer Energie in nichtnutzbare Energie statt. Intelligente Energieerzeugung und -nutzung bedeutet deshalb die Qualitätseigenschaft der Energie bestmöglich zu nutzen. Hier liegen enorme Möglichkeiten für eine effizientere Befriedigung unserer vielfachen Bedürfnisse. Diese Potenziale werden gewöhnlich weit unterschätzt.

Die Qualitätseigenschaft der Energie nennt man Syntropie oder Ordnungsenergie. (Sie entspricht in der Physik der negativen Entropie, der Negentropie.) Sie ist das Maß der Ordnung. Bei einer kalten Kugel, die durch die Luft fliegt, haben alle Moleküle in der Kugel in etwa die gleiche Bewegungsrichtung, wir haben eine geordnete Bewegung, eine wertvolle Bewegungsenergie. Schlägt die Kugel in ein Brett ein und bleibt dort stecken, dann verwandelt sich die geordnete Bewegung der Moleküle in eine ungeordnete, bienenschwarmartige: Die Kugel ruht, sie ist aber heiß. Bewegungsenergie wurde in Wärmeenergie, Ordnung in Unordnung verwandelt, Syntropie, Ordnungsenergie zerstört. Jede Energiedienstleistung erfordert, verbraucht Syntropie – nicht Energie.

Die Erde ist glücklicherweise in Bezug auf Energie kein abgeschlossenes System. Denn sie nimmt von der Sonne jeden Tag Energie auf, die für die Entwicklung des Lebens unentbehrlich ist. Wir verfügen also sozusagen über eine kontinuierlich sprudelnde Energiequelle, die uns ständig arbeitsfähige Energie zur Verfügung stellt.

Das ist ein Sterntalersegen: Die Sonne strahlt unentwegt Energie auf die Erde. Diese wird jedoch fast vollständig als Wärmestrahlung ins dunkle Weltall wieder zurückgestrahlt (andernfalls würde sich die Erde aufheizen). Nur ganz wenig der Energie bleibt z. B. in Form von Biomasse, also etwa als Pflanzen, hängen und wird in ihren energiereichen Molekülen, z. B. des Holzes, gespeichert. Durch die Verwandlung der Hochtemperatur-Sonneneinstrahlung in die „kältere“ Wärmeabstrahlung wird der Erde dauernd Ordnungsenergie zugeführt. Sie ist der Motor allen Lebens. Die Sonne ist eine ständig sprudelnde Quelle von Syntropie, die wir einfangen können und als „ordnende Kraft“ für alle Wertschöpfung auf der Erde nutzen können. Die Sonnenstrahlung spielt die Rolle einer „ordnenden Hand“, eine Grundbedingung alles Lebendigen, die erst die ganze Biosphäre möglich macht. Sie ist auch eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung unserer menschlichen schöpferischen Kraft.

Syntropie für Energiedienstleistungen verschaffen wir uns durch die Bereitstellung höherwertiger Energieformen und die Abführung minderwertigerer Energieformen. Für die Syntropie gilt kein Erhaltungssatz wie für die Energie. Für eine bestimmte Energiedienstleistung ist der Syntropieverbrauch geringer, wenn die Prozesse langsamer, sanfter ablaufen, als wenn sie rasant vor sich gehen. Schneide ich Butter ganz sachte mit einem Messer, so benötige ich nur ganz wenig von der Syntropie der mechanischen Energie; verwende ich dazu eine Kreissäge, so werfe ich die in der umlaufenden Säge und durch elektrische Ströme zugeführte Syntropie nutzlos zum Fenster hinaus.

Quellen der Syntropie

Energiedienstleistungen verlangen Syntropie. Die größte Syntropiequelle auf der Erde ist, wie gesagt, die eingestrahlte Sonne und zwar zunächst durch die direkte Einstrahlung von Sonnenlicht, dann aber auch umgesetzt (zwei Prozent) in Form von Wasser-, Wind- und Wellenenergie. Ein winzig kleiner Teil der eingestrahlten Sonnenenergie (nur ein bis zwei Tausendstel!) wird als Biomasse in Form von Tieren und Pflanzen (Holz usw.) gespeichert. Ein kleiner Bruchteil dieser Biomasse führt unter günstigen geologischen Umständen zur Bildung von Torf, bei geeigneten Verdichtungen zu Kohle, Erdöl und Erdgas. Unsere fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas sind also über Jahrmillionen gespeicherte Sonnenenergie, Sonnensyntropie.

Eine andere wesentliche Syntropiequelle sind die Atomkerne. Mittelschwere Atomkerne, wie etwa Eisen, sind am energieärmsten. Sehr leichte Atomkerne, wie insbesondere Wasserstoff, und sehr schwere Atomkerne, wie insbesondere Uran, sind vergleichsweise energiereicher. Diese höheren Energieformen der Materie wurden in einem Frühstadium des Urknalls, aus dem unser Universum geboren wurde, gleichsam gekocht. Bei Zerkleinerung oder Spaltung schwerer Atomkerne (Atomkernspaltung) und bei Verschmelzung leichter Atomkerne (Atomkernfusion) kann deshalb wertvolle Energie freigesetzt, Syntropie erzeugt werden. Die seit dem Urknall gespeicherte Syntropie wird also bei Kernspaltung und Kernfusion angezapft.

Eine interessante weitere Syntropiequelle ist die als Erdwärme im heißen Erdinneren gespeicherte „geothermische“ Energie, die von der Entstehung unserer Erde und unseres ganzen Planetensystems aus einem heißen Gasnebel herrührt. Auch diese Syntropiequelle ist also kosmischen Ursprungs.

Schließlich sollte man noch die Gezeitenenergie nennen, die Energie, die durch die Verformung der Wasseroberfläche, durch Ebbe und Flut, in Erscheinung tritt und mit der Stellung der Erde zum Mond, aber auch zur Sonne in Beziehung steht. Diese Energie wird durch die Drehbewegung der Erde gespeist, wodurch diese äußerst geringfügig abgebremst wird.

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